Gedankenlos glücklich oder der Gedankenbaum

«Wie gedankenlos von mir» sag ich, wenn ich jemanden oder dessen Höflichkeit übersehen hab. Das stimmt aber nicht. In unserer Sprache ist diese Entschuldigung (wohl aus Unwissenheit vom menschlichen Denken) schlicht falsch. Ich seh mir die Situation Gedankenlosigkeit einmal näher an:

Das hohe Ziel des Yoga ist Samadhi. Samadhi bedeutet soviel wie Glückseligkeit. Ein Zustand in dem alles eins ist und besonders das eigene Wesen mit der grossen Quelle verbunden ist. Trennende Gedanken gibt es in diesem meditativen Highligth nicht. Das können wir nur erreichen, wenn wir die Sinne zurück ziehen und Konzentration erlernen. Können wir uns wahrhaft konzentrieren, sind wir mit unserem Denkinstrument in der Lage die sogenannte Einpünktigkeit zu praktizieren. Das ist der totale Fokus auf nur eine einzige Sache. Bin ich einpünktig, dann verbinde ich mich gerade mit dem Objekt oder Thema. Allerdings wird dieses im Geist auch nicht weiter wachsen.

Weiter wachsen?

Unsere Gedanken entspringen alle aus den sogenannten Vrittis, Gedankenwellen (oder auch Wurzel, Quelle, Ursprung) Oft geben auch die Sinne eine solche Wurzel. Dann erdenken wir diese zu einem riesigen Gedankenbaum mit unglaublich vielen Verzweigungen. Wir packen Erlebnisse dazu, Vorstellungen, Ideen usw. Kennst Du das?

Baum als Symbol für unsere Gedankenaktivität
Baum als Symbol für unsere Gedankenaktivität

Im Yoga lernen die Menschen, die Wurzel zu erkennen und sie auch mal nicht wachsen zu lassen. Wir praktizieren also jetzt Einpünktigkeit. Erst dann ist es möglich Gedankenlosigkeit zu erreichen. Dies ist zum wirklichen Meditieren nötig. Gib den üblichen Lärm im Kopf, die Gedankenbäume mal ab und tauche in die gedankliche Stille. Das ist reine Gedankenlosigkeit. Mit ein bisschen Glück kannst den goldenen Zustand Samadhi erfahren. Das ist es, was Yogis ein Leben lang üben.

Zurück zur oben beschriebenen Situation. Ich übersehe jemanden, und grüsse vielleicht nicht. Das entsteht wenn man in Gedanken versunken ist. Also das Gegenteil von gedankenlos. Ich hänge den Gedanken hinterher und sie können sich ungehindert in meinem Geist breit machen, der Baum wächst. Vielleicht befinde ich mich aber auch in höchster Konzentration, wo ich nur die Essenz erdenke (vielleicht mit dem Baumstamm vergleichbar). Aber auch in diesem Denk-Zustand kann ich äussere Dinge nicht wahrnehmen.

Leider wird dieses Wissen in unserer Kultur nicht gelehrt. Wieviel einfacher hätten es wohl unsere Kinder und wir selbst, wenn wir die Abläufe unseres Denkens kennen und effektiv nutzen würden? Wir könnten Denken als Instrument benutzen und nicht andersrum und eben auch mal damit aufhören. Wären nicht so oft unserem Durcheinander-Denken erlegen.

Wir könnten Kraft schöpfen beim gedankenlos glücklich sein.