Wahrhaftigkeit (Satya) ist eine der Aufgaben auf dem Yogaweg. Anfangs dachte ich, dies beschränkt sich nur auf die Wahrheit, die ich mit Worten spreche. Aber es ist viel mehr. Um zufrieden zu sein, brauchen wir einen ruhigen Geist, der möglichst kein oder wenig Denk-Gepäck rumschleppt. Denn das führt zu Leid und dann ist der Mensch alles andere als ruhig und friedlich. Immer und immer wieder spielen wir gedanklich alte Schallplatten ab und nähren das, was uns unglücklich macht. Alte Urteile werden einfach übernommen und Sorgen bleiben da, manchmal verändern wir sie in neue, die Einstellung bleibt aber die gleiche.
Unwissenheit, falsche Wahrnehmung, falsches Urteil oder Ilussionen halten den Geist auf Trapp. Ich nenn das jetzt mal kurz Un-Wahrheit. Wir vergleichen also oft neue Situationen mit unseren Erfahrungen und urteilen auf Basis dieser Unwahrheit. Das Ziel ist aber, aus einer universellen (höheren) Sicht zu urteilen bzw. nichturteilen um den gewünschten inneren Frieden zu erreichen.
Abgesehen davon, dass wir Wahrhaftigkeit im yogischen Sinne nicht mit dem Intellekt erfassen können, kann uns dieser trotzdem bei der Suche nach wahrer (also richtiger Beurteilung – heisst im Sanskrit Viveka– rechte Unterscheidungskraft) dienen. Eine einzige Frage hilft mir oft dabei.
Ist es wirklich wahr?
Ist es wirklich wahr, das xy mir Böses will? Mit ein wenig geistigem Training, kann die Frage zur neuen Gewohnheit werden und vor Ver-urteilen und Unwahrheit (die zu Leid führt) schützen. Die Frage sucht eine neutrale Sicht, eine, die fordert, die Lage des Anderen zu prüfen. Sogar alles aus einem höheren Bewusstsein heraus zu beobachten. Oft wird mir dann klar, dass die Beweggründe von xy völlig anders sind, als sie in meiner Vorstellung (Beurteilung) scheinen. Oder dass die Situation in ein grösseres Gefüge passt und richtig ist, so wie sie ist. Die Technik fand ich vor einigen Jahren im Buch Lieben was ist von Byron Katie. Sie hat mich inspiriert, die Yogaübung des Viveka (rechte Unterscheidungskraft) besser zu verstehen. Mit konsequenter geistiger Arbeit löst sie scheinbare Konflikte, die oft immer nur gedanklich existieren. Sie ist spricht nicht von Yoga, aber da es um eine universelle Wahrheit mit höherem Bewusstsein geht, spielt es keine Rolle, wie wir es nennen.
Im Yoga wird beschrieben, dass sogar eine Krankheit nur dann (geistiges) Leid bedeutet, wenn wir sie entsprechend bewerten, weil zum Beispiel Schmerzen auf der körperlichen Ebene stattfinden. Aber soweit möchte ich mich nicht aus dem Fenster lehnen, weil ich das selbst noch nicht praktiziere. Es ist aber ein schönes Ziel.
Für mich lohnt sich schon deshalb, es mit der Wahrheit auch im Alltag genauer zu nehmen, als unser Geist (meist der Ego-Teil) es im ersten Affekt gewohnt ist zu tun. Respektieren wir die Wahrheit. Wir können eine Gewohnheit entwickeln, dem Ego nicht zu viel Macht einzuräumen. Ich finde es jedenfalls sehr entspannend ein Problem so zu lösen, als es ewig mit mir rumzuschleppen. Ihr wisst schon was ich meine.
Viel Spass also mit leichterem Gepäck auf dem Wahrheitsweg.